Guter Mond, ....
Die Frage der
Springverspätung
Es geht hier weder um die physikalische Erklärung der Springverspätung noch um die Bestimmung konkreter Werte. Dieser Text ist entstanden aufgrund des relativ hohen Aufwands, diese Problematik im Rahmen der Gezeitenbeispiele für die verordneten Prüfungen zum österreichischen Befähigungsausweis für FB2 zu behandeln.
Im Lernzielkatalog der Jachtverordnung 2020 - übernommen aus dem Katalog der
Jachtprüfungsordnung 2015 - ist eine taxativ angeführte Fragestellung für
FB2 die Bestimmung "des Alters der Gezeit" - an einem
bestimmten Tag. Das Erzwingen dieser Frage im Rahmen
der Kartenaufgaben ist eine Erfindung von Z; sie ist
aus mehrerlei Gründen beachtenswert: Die
Gezeitennavigation im FB2 - es ist eigentlich ja der aufwandsreduzierte
Adria-Schein - beschränkt sich auf das Ablesen einer
Wasserhöhe (richtig natürlich HGZ) aus einer
"Tidenkurve" (richtig eigentlich Gezeitenkurve). Dabei handelt es sich um eine graphische Darstellung der
Hübe, aufgetragen entlang einer Zeitachse, für jeden Tag und jede Stunde
eines Jahres.
Es stellt sich hier natürlich die Frage der Genauigkeit:
Da es um wenig geht, sind auch diese Raster - allein die Strichstärke -
nicht genauer als einige Minuten, außer, es sind die
genauen Zeiten der Hoch- und Niedrigwasser zusätzlich eingedruckt.
Bei diesen Darstellungen ist die Frage der Springverspätung völlig
unerheblich, die Resultate beinhalten sie ja schon.
Noch mehr, es lässt sich technisch genau die
Springverspätung aus den meisten solcher Druckwerke nicht ablesen.
Obwohl in der praktischen Navigation die Springverspätung bei diesen
Verfahren weder eine Bedeutung hat, noch mit
vernünftigem Aufwand ermittelt werden kann, ist es in
der Prüfung eine Conditio sine qua non.
Dieser typische Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf die seemännische
Erfahrung - sowohl in Theorie als auch in Praxis - des
Autors Z.
Zur Beantwortung ist also ein Mondphasenkalender beizustellen, aufgrund dessen das Alter der Gezeit - wieder an einem bestimmten Tag - zu ermitteln ist. Dazu müssen die zeitlichen Grenzen
Ende Springzeit/Nippzeit = Beginn Mittzeit
Beginn Springzeit/Nippzeit = Ende Mittzeit
errechnet werden. Üblicherweise wird hier grob eingeteilt -
wobei natürlich dies schon nicht richtig ist, da in der Natur die
Änderungen nicht abrupt eintreten - in
4 Tage Spring-/Nippzeit
3 Tage Mittzeit.
Aber es handelt sich hier nicht um Sonnentage mit 24 Stunden, es sind Mondtage,
abhängig vom synodischen Monat, gleich 29
Tage 12 Stunden 44 Minuten im langjährigen Mittel,
aber variabel von einem Monat zum nächsten, von einer Phase zur nächsten.
Über ein Jahrhundert betrachtet sind die Zeitunterschiede zwischen den
Mondphasen ca.
Minimum: 6d 13h 59m
Mittel: 7d 9h 11m
Maximum: 8d 5h 40m
Um nun diese 4 bzw. 3 (Mond-)Tage zu ermitteln, ist der konkrete Zeitunterschied
zwischen den beiden benachbarten Mondphasen durch 7 zu dividieren.
Das ergibt dann die (ungefähre) Länge des "Mondtages", genau in dieser
einen Woche. Damit sind nun - für diese eine Woche -
die Zeitgrenzen
Ende vorherige Phase = Beginn Mittzeit
Beginn nächste Phase = Ende Mittzeit
festgestellt. Jetzt ist nur noch die Springverspätung zu addieren (wenn man
weiß, wie groß sie ist). Das Ergebnis kann natürlich
nicht am Datum ohne Uhrzeit festgemacht werden, denn
nach den groben Regeln (die ja in Wahrheit nur deshalb auf
ein ungefähres, aber brauchbares Ergebnis führen, weil es insgesamt darum
nicht geht), ist es eine Uhrzeit an einem Tag, es kann
5 Minuten nach Mitternacht sein, oder auch 5 Minuten
vor Mitternacht. Es lässt sich das "Alter" also für ein
"Tagesdatum" nicht angeben (obwohl in der Praxis
unerheblich und bei der Verwendung von Tidenkurven
völlig uninteressant). Wenn jetzt also ein stundengenauer Zeitpunkt ermittelt
werden muss (alles andere hat nach der Fragestellung keinen Sinn), dann
wird auch noch die Frage der Zonenzeit relevant.
Insgesamt wird hier - schon fast wie in Philosophie und Politik - ein
Scheinproblem aufgebauscht, das aber dem
Prüfungskandidaten den positiven Prüfungserfolg kosten kann.
Wozu noch kommt, dass es Fälle gegeben haben soll, in denen sowohl
vorgegebene Wunschergebnisse als auch die
Prüferbeurteilungen nicht entsprochen haben. Um dem
Prüfer (bzw. der Prüfungsorganisation) ein Mittel zur Beurteilung der
Kandidatenresultate an die Hand zu geben, ist eine detaillierte Tabelle
(wie hier für
April~Mai 2019) zu entwickeln.
Wichtige Dinge, wie die Betrachtung der Sommerzeit, der Gezeitenunterschiede
(es gibt sie in den Tidenkurven sowohl für Zeit- als auch für
Höhenunterschiede) und besonders die Reduktion auf das
Bezugsniveau (handelt es sich um Kartennull oder um
ein Mittelwasser?; wenn ja, um welches?) bleiben in der Regel völlig ausgespart.
Insgesamt finden sich in den Lernziel- und Fragenkatalogen der Jachtverordnung
einige solcher
Fragestellungen, die nicht einmal als "akademisch" bezeichnet werden können,
sie haben einfach keinen Sinn. Es führt auch
dazu, dass notwendige Unterrichtszeit, dass wichtige Motivation
der Teilnehmer aus Unverstand sinnlos vergeudet werden -
vielleicht ein Charakteristikum - der Zeit, oder des Ortes?
Oder einfach Strategie?
20.12.2020 Copyright © 1979 - 2021 by B. Kotnig