Wallisch, F.; Wilhelm von Tegetthoff, Wien, 1964 p 27

Der Deutsche Bund bildete eine mehr oder weniger lose Vereinigung der deutschen Staaten. Im Bundestag führte Österreich den Vorsitz. Eine ungelöste Frage war es, ob Schleswig-Holstein dem Königreich Dänemark zugehören oder innerhalb des Deutschen Bundes als selbständiges Herzogtum bestehen sollte. Darüber kam es 1864 zum Deutsch-Dänischen Kriege. Bismarck, damals preußischer Ministerpräsident, schloß die Staaten des Deutschen Bundes von einer Teilnahme am Kampfe aus, er setzte durch, daß nur preußische und österreichische Truppen eingriffen. Unter dem Befehl des preußischen Generalfeldmarschalls Grafen Friedrich Wrangel rückten die Verbündeten in Schleswig ein.

Ein österreichisches Geschwader unter Konteradmiral Bernhard von Wüllerstorff-Urbair - den wir bereits als Kommandanten der "Novara" bei ihrer Weltumseglung erwähnt haben - erhielt den Befehl, nach der Nordsee abzugehen, um die Flanke der gegen Dänemark kämpfenden Armee und die Hansestädte zu sichern. Tegetthoff, noch immer Kommandant der österreichischen Flottenabteilung in der Levante, empfing in der Nähe von Rhodos die Nachricht vom Kriegsausbruch und den Befehl, die Fregatten "Radetzky" und "Schwarzenberg" und das Kanonenboot "Seehund" nach Lissabon zu führen; er sollte dort auf das Eintreffen des von Wüllerstorff geführten Geschwaders warten.

Nach der Durchfahrt durch die Straße von Gibraltar begegnete Tegetthoff auf der Höhe des südspanischen Hafens Cadiz einem dänischen, also feindlichen Handelsschiff. Er ließ es aufbringen und als Prise nach Lissabon schleppen. Dort ergaben sich größte diplomatische Schwierigkeiten, die Tegetthoff aber durch eiserne Energie bewältigte, so daß er die Prise mit österreichischer Besatzung nach Pola schicken konnte. Der erwähnte spätere deutsche Admiral Paschen, der als österreichischer Seeoffizier eben diesen Krieg auf der "Schwarzenberg" mitmachte, schrieb über Tegetthoffs Auftreten in Lissabon: "Ihm konnte die ganze portugiesische Flotte nicht widerstehen." Die Ausrüstung des Geschwaders unter Wüllerstorff verzögerte sich. Da aber die Hansestädte, vor allem Hamburg, durch die dänische Blockade schwer geschädigt wurden und die Schiffahrt im Bereiche der Elbemündung gefährdet war, erhielt Tegetthoff die Weisung, nicht länger zu warten und in die Nordsee vorzustoßen.

Der kurze Aufenthalt in England verlief sehr unerfreulich. Die Regierung stand mit ihren Sympathien sichtlich auf seiten der Gegner, man nötigte Tegetthoff das Versprechen ab, nicht in die Ostsee einzulaufen. Er konnte sich auch von dem in England blühenden dänischen Spionagedienst überzeugen. Und zu allem Ärger kam noch ein höchst peinlicher Zwischenfall. Beim Einlaufen in Ramsgate an der Themsemündung hatte sich der englische Lotse - mit oder ohne Absicht - derart ungeschickt benommen, daß das Kanonenboot "Seehund" schwer beschädigt wurde und in Sherness zurückbleiben mußte.In Pola, seit 1850 österreichischer Hauptkriegshafen, war das aus fünf Kampfeinheiten bestehende Geschwader Wüllerstorff gelegen und konnte nun auslaufen. Am 23. April, an demselben Tage, an dem Tegetthoff den Befehl erhielt, die Fahrt von England zur deutschen Küste fortzusetzen, erschien Wüllerstorff erst vor Lissabon.

Bei der holländischen Insel Texel vereinigte sich Tegetthoff mit der kleinen preußischen Schiffsabteilung, den Kanonenbooten "Blitz" und "Basilisk" und dem Avisodampfer "Preußischer Adler".

Avisodampfer oder Aviso war die Bezeichnung für ein kleines, leichtes Fahrzeug von geringem Kampfwert aber erheblicher Geschwindigkeit, das zur Aufklärung oder zur Übermittlung von Befehlen verwendet wurde. Das Aviso "Preußischer Adler", ein veralteter Raddampfer, kam aber im Vergleich zu den neuen Schraubendampfern recht langsam von der Stelle. Überhaupt hatte die Verstärkung, die diese preußischen Schiffe für Tegetthoff bedeuteten, nur wenig praktischen Wert. Die Preußen führten insgesamt bloß sechs Kanonen. Die drei kleinen Fahrzeuge mußten infolge ihrer geringen Geschwindigkeit entweder die Manövrierfähigkeit der Österreicher beeinträchtigen oder aber im Gefecht zurückbleiben.Zu Lande errangen die Verbündeten große Erfolge. Neben den Preußen kämpften die Österreicher siegreich unter Feldmarschalleutnant Ludwig Freiherrn von Gablenz. Die Marine war von dem besten Willen erfüllt, dem Landheere nicht nachzustehen. Aber die dänischen Kriegsschiffe schienen verschwunden zu sein. Als Tegetthoff am 4. Mai mit seinem österreichisch-preußischen Geschwader in Cuxhaven an der Elbemündung erschien, hatte man noch keinen Feind gesichtet. Tegetthoff setzte alles daran, die Dänen sobald wie möglich zum Kampfe zu stellen. Zwei Tage später lief das Geschwader aus, um in der Helgoländer Bucht zu kreuzen, wo man die Dänen zu erreichen hoffte.

Am frühen Morgen des 7. Mai wurde ein fremdes Kriegsschiff gesichtet, es zeigte keine Flagge und zog sich eilig zurück. Viele Stunden lang raste Tegetthoff mit der "Schwarzenberg", seinem Flaggschiff (Führerschiff), gefolgt von den übrigen Einheiten, gefechtsklar und mit höchster Geschwindigkeit hinter dem Fliehenden her. Vom Kommandanten bis zum Letzten an Bord war jeder in größter Spannung, stand jeder auf seinem Posten. Man konnte deutlich wahrnehmen, wie auch auf dem fremden Schiffe, einer Fregatte, alle Vorbereitungen zum Kampf getroffen wurden. Jetzt war die "Schwarzenberg" auf Schußdistanz herangekommen, jetzt konnten die Geschütze sprechen! In diesem Augenblick wurde drüben endlich die Flagge gehißt - die englische. Es war die Fregatte "Aurora". Sie hatte sich mit den österreichischen und preußischen Seeleuten, die vor einem Kampf auf Leben und Tod standen, den taktlosen Spaß erlaubt, sie an der Nase herumzuführen. Welche Meinung sich die Leute um Tegetthoff über die britischen Herren auf der "Aurora" gebildet und was sie ihnen nachgerufen haben, das kann man sich wohl denken.

Am Morgen des 9. Mai lief Tegetthoff mit seinem Geschwader nach vergeblicher Kreuzfahrt wieder die Reede von Cuxhaven an. Er wurde mit der Meldung empfangen, die feindlichen Schiffe seien bei Helgoland gesichtet worden. Gewiß waren die Dänen zu dem Entschluß gekommen, die Österreicher zu stellen, noch ehe das Gros des Geschwaders, das ja unter Wüllerstorff im Anmarsch war, die Nordsee erreicht hätte. Tegetthoff ließ in Cuxhaven nicht einmal Anker werfen. Seine Schiffe gingen sofort wieder in See, mit Volldampf dem Feinde entgegen.

Dieser 9. Mai 1864, der das Seegefecht von Helgoland brachte, war sonnenhell und hochsommerlich. Mittags kam das dänische Geschwader in Sicht. Es waren drei von Kommodore Svenson geführte Schiffe, die Fregatten "Niels Juel" und "Jylland" und die Korvette "Heimdal". Das Kräfteverhältnis begünstigte die Dänen außerordentlich. Sie führten hundertundzwei Geschütze, ihre Gegner nur achtundachtzig. Überdies war die Bewaffnung der Dänen eine viel bessere und modernere. Sie besaßen sechsundzwanzig sogenannte "gezogene" Geschütze, die Österreicher nur acht!

Doch Tegetthoff dachte nur an Angriff und Sieg. Er ließ auf seinem Flaggschiff, der "Schwarzenberg", das für ihn bezeichnende Signal hochgehen: "Unsere Armeen haben Siege erfochten, tun wir das gleiche!"

Um 2 Uhr eröffnete die "Schwarzenberg" das Feuer. Svenson wollte fürs erste die langsameren Preußen von den Österreichern abschneiden. Aber Tegetthoff vereitelte diese Absicht, indem er mit seinen beiden Fregatten dicht an die Dänen heranfuhr - wir wollen hier der dänischen, also der gegnerischen Darstellung des Kampfes folgen - "die über dieses tollkühne Manöver ganz verblüfft waren. Es sah aus, als ob Tegetthoff sich nicht bloß ritterlich zur Unterstützung seiner preußischen Kameraden anschickte, sondern auch die Überlieferung früherer Zeiten auffrischen wollte. Dieses unerschrockene Darauflosgehen erinnerte an die Taktik Nelsons, der den Sieg sooft durch tollkühnen Durchbruch der gegnerischen Linie errang".

Der auf geringste Entfernung geführte Kampf wurde mit Unerschrockenheit und Heldenmut geführt. Granaten und Schrapnelle forderten bei so wenig Distanz furchtbare Opfer. Das Feuer der Dänen konzentrierte sich auf das österreichische Führerschiff "Schwarzenberg" und richtete gräßliche Verheerungen an. Brände brachen aus und gefährdeten die Pulverkammern.Als man dies Tegetthoff meldete, sagte er, ohne auch nur einen Augenblick seine vollkommene Ruhe zu verlieren: "Nun, so lösche man!"Mit welchem wahrhaft klassischem Mut die von Tegetthoffs Vorbild faszinierten Seeleute auf den österreichischen Fregatten dem viel stärkeren Feinde begegneten, ging aus vielen Episoden des erbitterten Kampfes hervor.

Ein Seekadett, den man sterbend von seinem Geschütz forttrug, raffte sich noch einmal auf und rief seinen Leuten zu: "Es lebe der Kaiser! Seid mutig und verteidigt euch bis zum letzten Mann!"

Ein Kanonier, dessen ganze rechte Gesichtshälfte durch ein Geschoß zerstört war, fiel nieder, erhob sich nochmals, ließ sich verbinden und wankte dann, so rasch er konnte, zu seinem Geschütz zurück. Als ein Offizier den Schwerverletzten fortschicken wollte, erwiderte er: "Auf dem einen Auge seh' ich nicht, folglich werde ich mit dem anderen zielen."

Um vier Uhr nachmittag setzte auf der "Schwarzenberg" eine dänische Granate ein aufgerolltes Segel des Fockmastes, des vordersten Mastes, in Brand. Wieder strengten sich die Leute aufs äußerste an, trotz des stärksten Geschoßhagels auch diese Gefahr für das Schiff zu bannen. Doch die Spritzenschläuche und die Wasserbaljen, die Eimer, waren zerschossen. Segeltuch und Holz brannten wie Zunder, flammten lichterloh.

Tegetthoff steuerte dennoch ganz nahe an das gegnerische Flaggschiff "Niels Juel" heran, um zu entern. Aber die schier himmelhohe Brandfackel des Fockmastes auf der "Schwarzenberg" zwang ihn, einen anderen Kurs zu nehmen, um zu verhindern, daß der Wind die Flammen über das ganze Schiff treibe. Sonst wäre in kürzester Zeit eine Pulverkammer in Brand geraten und das Schiff in die Luft geflogen.

Die "Radetzky" und die ihr nachfolgenden preußischen Schiffe nahmen die Dänen "Jylland" und "Heimdal" ganz in Anspruch, so daß jetzt die beiden Führerschiffe "Schwarzenberg" und "Niels Juel" einen erbitterten Zweikampf bestanden. Der Däne war bereits arg hergenommen. An Steuerbord, das heißt rechts - das Schiff hatte dem Gegner die rechte Seite zugewandt - feuerten nur noch vier Geschütze. Aber der Brand des Fockmastes der "Schwarzenberg", der sich immer weiter ausbreitete, zwang Tegetthoff, sich von seinem Gegner zu lösen. Er befahl der Fregatte "Radetzky" und den Preußen ihn zu decken, und steuerte das Gewässer der Insel Helgoland an, damals englischer Besitz und daher neutral. "Radetzky" bot sich dem Feuer der drei feindlichen Schiffe dar, um das Führerschiff zu schützen.

Jetzt fiel auch den Preußen eine wichtige Aufgabe zu. Von der "Radetzky" gedeckt, kamen sie an den Feind heran, sandten dann vorpreschend ihre Salven gegen die Dänen, zogen sich wieder hinter die österreichische Fregatte zurück, kamen mit geladenen Geschützen neuerlich hervor und wiederholten dieses Manöver mit viel Erfolg. Sie schossen vorzüglich, und da sie sehr niedrig gebaut waren, gingen die Salven der Dänen über sie hinweg, ohne Schaden anzurichten.

Es wurde dem Gegner unmöglich, sich der ..Schwarzenberg" zu nähern. Nicht nur die "Niels Juel", auch die "Jylland" hatte schwer gelitten. Schließlich folgten die "Radetzky" und die preußischen Schiffe der "Schwarzenberg". Sie feuerten immer noch, während die Dänen, sobald sie sahen, daß die Österreicher und Preußen nicht mehr daran gehindert werden konnten, die neutralen Gewässer von Helgoland zu erreichen, in nordöstlicher Richtung den Kampfplatz verließen.

Jetzt erschien wieder die Fregatte "Aurora", die sich zwei Tage vorher den üblen Scherz mit den Österreichern erlaubt hatte. Sie machte sich erbötig, Ärzte und Löschmannschaften zu senden. Angesichts der Verwüstungen, die das Seegefecht zurückgelassen hatte, mag in den Briten der Wunsch wachgeworden sein, ihr unritterliches Verhalten wiedergutzumachen.

Tegetthoff lehnte das Anerbieten, Hilfe zu leisten, ab. Die Ablehnung war höflich, aber eindeutig und entschieden.Von der Wucht und Zähigkeit des bestandenen Kampfes zeugte der Umstand, daß der Schiffsrumpf der "Schwarzenberg" nicht weniger als dreiundneunzig Treffer aufwies. Die Verluste der Österreicher waren schwer, 37 Tote und 93 Verwundete, die der Dänen 14 Tote und 54 Verwundete. Die Preußen hatten keine Verluste zu beklagen.

Bereits um neun Uhr abends verließ das österreichisch-preußische Geschwader mit der "Schwarzenberg", deren Fockmast noch immer brannte, das neutrale Gebiet von Helgoland. Während der Nachtfahrt gelang es, den Brand zu löschen. Tegetthoff sah darauf, daß an Bord der Schiffe alles so weit instand gesetzt wurde, daß sie vollkommen gefechtsfähig waren, als sie um vier Uhr morgens in Cuxhaven einliefen.Die Dänen scheuten eine Wiederaufnahme des Kampfes, das war nun klar geworden. Die Österreicher hatten sich ja nur kurze Zeit in neutralem Gebiet aufhalten können. Wäre der dänische Kommodore zur Fortsetzung des Gefechts imstande gewesen, so hätte er außerhalb der Küstengewässer von Helgoland warten oder die Einfahrt nach Cuxhaven blockieren können. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, die Dänen zogen sich in die Ostsee zurück. Tegetthoff hatte die Nordsee gesäubert, die Elbemündung und Hamburg waren von dem schweren Druck der gegnerischen Blockade befreit.

Für die Seekriegsgeschichte hat der Tag von Helgoland besondere Bedeutung. Als letztes größeres Gefecht zwischen Holzschiffen steht das Treffen von Helgoland am Abschluß einer mehrtausendjährigen Vergangenheit, die von den Ägyptern, Phöniziern, Griechen und Römern über die Normannen, über Spanier und Hanseaten, Engländer und Franzosen, über die Holländer unter de Ruyter bis zu Nelson und zu - Tegetthoff reicht.

Am Morgen nach dem Seegefecht von Helgoland erschienen an Bord der Fregatte "Schwarzenberg" Oberst Graf Bellegarde und Hauptmann des Generalstabs Gründorf von Zebegeny. Sie überbrachten für Tegetthoff und für die Marine die Glückwünsche der österreichischen Landtruppen, die im Feldzug gegen Dänemark standen. Tegetthoff empfing Bellegarde und Gründorf sehr ernst. Er nahm ihre Glückwünsche mit kurzem Dank entgegen und lud sie zum Speisen ein.

Die beiden Offiziere waren ungemein erstaunt, daß man die Spuren der Verwüstung so rasch beseitigt hatte. Und gar die Tafel im Salon der "Schwarzenberg" sah aus, als wäre man im tiefsten Frieden. ...