Müller, K., Tegetthoffs Marsch in die Nordsee, Graz, 1991; p 81
Als Tegetthoff Neuwerk seewärts passiert hatte, wurde kurz nach 11.00 Uhr im Norden Rauch gesichtet. Gegen 13.00 Uhr kamen die drei dänischen Kriegsschiffe in Sicht, die mit südwestlichem Kurs gegen Helgoland steuerten. Die Dänen bildeten eine Kiellinie. Voraus das Flaggschiff "Niels Juel", dann die "Jylland" und am Ende die "Heimdal". Die Schiffe schlossen auf, so daß der Abstand voneinander nur ca. 200 Meter betrug. Die Verbündeten fuhren in Dwarslinie. Tegetthoff stand auf der Kommandobrücke der "Schwarzenberg", die den linken Flügel bildete, anschließend die "Radetzky", "Preußischer Adler", "Basilisk" und "Blitz". Der ursprünglich eingeschlagene Kurs Nordost wurde später in nördliche Richtung auf das feindliche Geschwader gerichtet.
Nachdem auf allen Masten der deutschen Schiffe die Kriegsflagge gehißt worden war - die sogenannte "kleine Flaggengala" - gab Tegetthoff das Signal:"Unsere Armeen haben Siege erkämpft, tun wir das gleiche."Und bald darauf:"Klarschiff zum Gefecht!"Jetzt war es 13.30 Uhr. Zu dieser Zeit ging Suenson auf Südostkurs - Tegetthoff direkt entgegen. Dieser wollte die Dänen von Helgoland abschneiden und formierte das verbündete Geschwader in Kiellinie. An der Spitze die "Schwarzenberg", dann die "Radetzky" und mit größerem Abstand die drei preußischen Schiffe. Während die beiden Fregatten dem Feind entgegen dichter aufschlossen, mußten die drei preußischen Schiffe aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit zurückbleiben und hielten sich leewärts von den Österreichern. Kurz vor 14.00 Uhr, südöstlich von Helgoland, eröffnete die "Schwarzenberg" auf eine Entfernung von ca. 3500 Metern das Feuer, und es entwickelte sich ein Passiergefecht an Steuerbord. Als die beiden Geschwader aneinander vorbeifuhren, betrug der Abstand ca. 1500 Meter. Beim Passieren erhielten die "Schwarzenberg" und "Radetzky" volle Lagen der drei dänischen Schiffe und mußten erhebliche Treffer hinnehmen. Auf der "Schwarzenberg" wurde ein Geschütz samt Bedienungsmannschaft außer Gefecht gesetzt. Die in der Mitte fahrende "Jjylland" erhielt von den Österreichern das meiste Feuer.
Die preußischen Schiffe standen immer noch backbord achteraus von den Österreichern. Diese Lage wollte Suenson ausnutzen, um zwischen die beiden Fregatten und die preußischen Schiffe zu gelangen und letztere vom Geschwader abzuschneiden. Da für die preußischen Schiffe höchste Gefahr bestand, wendete Tegetthoff mit beiden Fregatten nach steuerbord und hielt auf die Dänen zu mit der Absicht, die "Niels Juel" zu entern.. Die Dänen bewunderten dieses Vorgehen, denn der dänische Historiker Luetken berichtete, daß sie "... über dieses tollkühne Manöver ganz verblüfft waren. Es sah aus, als ob Tegetthoff sich nicht allein ritterlich zur Unterstützung seiner preußischen Kameraden anschickte, sondern auch die Tradition früherer Jahrhunderte auffrischen wollte. Dieses unerschrockene Drauflosgehen auf den Feind erinnerte an die Taktik Nelsons, der den Sieg so oft durch tollkühnen Durchbruch der gegnerischen Linie errang." Käme Tegetthoff auf diese Weise in den Besitz eines dänischen Schiffes, dann wäre die artilleristische Überlegenheit der Dänen gebrochen und die Vernichtung des dänischen Nordseegeschwaders nicht mehr abzuwenden gewesen. Tegetthoff war zwar dicht an die dänischen Schiffe herangekommen, doch Suenson wich nach backbord aus. Die große Gefahr für die preußischen Schiffe war damit abgewendet. Jetzt entwickelte sich auf kurze Entfernung ein laufendes Gefecht, und Österreicher und Dänen feuerten ihre Breitseiten ab. Beide Geschwader liefen südwestlichen Kurs, wobei die Dänen an backbord der Verbündeten fuhren. Tegetthoff gab seine ursprüngliche Absicht nicht auf. Aber so oft er nach backbord drehte, wich Suenson in derselben Richtung aus, und der Kampf blieb weiterhin ein laufendes Gefecht. Dabei vereinigten die dänischen Fregatten ihr Feuer auf Tegetthoffs Flaggschiff, während die "Radetzky" fast nur von der "Heimdal" beschossen wurde.Die preußischen Schiffe waren ebenfalls auf Südkurs gegangen und beteiligten sich an dem Gefecht aus größerer Entfernung.
Die "Schwarzenberg" erhielt zahlreiche Treffer. Eine Granate hatte das Segeldepot getroffen, und da die Pulverkammer gefährdet war, warf sich die Mannschaft auf die brennenden Segelrollen und erstickte mit ihren Körpern das Feuer. Während die Brände kaum Auswirkungen auf die Kampfkraft des Schiffes hatten, nahmen die Mannschaftsverluste derart zu, daß einige Geschütze nicht mehr bedient werden konnten. Gegen 16.00 Uhr wurde auf der "Schwarzenberg" das festgemachte Vormarssegel in Brand geschossen. Bald ergriff das Feuer den ganzen Fockmast, und die herunterstürzenden brennenden Teile der Takelage brachten die Pulverkammer abermals in große Gefahr. Da der Brand nicht zu löschen war, entschloß sich Tegetthoff, sein Schiff vor den Wind, d. h. Kurs Westnordwest zu bringen und ließ deshalb die "Schwarzenberg" vom Wind abfallen. Während diese nach steuerbord wendete und sich Richtung Helgoland bewegte, behielt die "Radetzky" zunächst den alten Kurs bei und legte sich so zwischen das deutsche Flaggschiff und das dänische Geschwader. Mit diesem Manöver zog sie das dänische Feuer auf sich, und die brennende "Schwarzenberg" entfernte sich vom Kampfplatz.
Als die "Schwarzenberg" nach steuerbord wendete, folgten die preußischen Schiffe sofort. Tegetthoff befahl, eine Dwarslinie zu bilden, damit alle fünf Schiffe ihre Heckgeschütze gegen die achteraus befindlichen Dänen einsetzen konnten. Als Suenson den Befehl zur Verfolgung der Verbündeten gab, erhielt die "Jylland" einen Treffer in der Steueranlage und wurde manövrierunfähig. Nach Behebung des Schadens nahmen zwar die Dänen die Verfolgung wieder auf, jedoch hatte Tegetthoff schon einen beträchtlichen Vorsprung und befand sich kurz vor dem neutralen Hoheitsgebiet. Suenson ließ die Verbündeten noch eine Zeitlang mit den Buggeschützen beschießen und stellte um 16.30 Uhr das Feuer ein.Es stellt sich die Frage, warum die Dänen die Ausbesserung auf der "Jylland" abwarteten, obwohl sie noch mit den beiden anderen Schiffen den Kampf erfolgreich hätten weiterfahren können. Da die "Schwarzenberg" den Kurs nicht ändern durfte und stark beschädigt war und die "Radetzky" und die preußischen Schiffe eindeutig schwächer waren, hätten die "Niels Juel" und "Heimdal" den Kampf fortsetzen können und gegen den schwächeren Gegner wohl auch Erfolge erzielt. Wenn man aber davon ausgeht, daß die Dänen auch erhebliche Verluste hatten und es ihnen bislang nicht gelungen war, die Verbündeten entscheidend zu treffen, so wird die Haltung Suensons verständlich, zumal er sicher daran dachte, den Kampf am nächsten Tag fortzusetzen. Während die Dänen zunächst auf dem Kampfplatz liegen blieben, gingen die Verbündeten bei Helgoland vor Anker. Die Bekämpfung des Brandes auf der "Schwarzenberg" ging weiter; die vielen Verwundeten wurden versorgt, wobei die Ärzte und Mannschaften der preußischen Schiffe die Österreicher unterstützten. Die Ärzte hatten alle Hände voll zu tun, denn die splitternden Holzteile hatten noch schrecklichere Verletzungen verursacht als die eingeschlagenen Geschosse. Kommandant McClintock lag mit der "Aurora" vor Helgoland und hatte das Gefecht beobachtet. Als die Verbündeten ankerten, sandte er ein Boot zur "Schwarzenberg" und bot Hilfe an. Tegetthoff. lehnte sie mit den Worten ab: "Danke, werde mir selber helfen." Die Österreicher hatten erhebliche Verluste zu beklagen: auf der "Schwarzenberg" 32 Tote und 69 Verwundete, auf der "Radetzky" 5 Tote und 24 Verwundete. Auf den dänischen Schiffen waren 14 Mann gefallen. Die Preußen verzeichneten keine Treffer und hatten somit auch keine Verluste gehabt. Daß die "Schwarzenberg" größere Schäden und Verluste erlitten hatte, lag in erster Linie daran, daß sie als Flaggschiff stärker beschossen wurde. Auf der "Schwarzenberg" mußte der brennende Fockmast gekappt werden. Diese Aufgabe erwies sich als sehr schwierig und wurde erst am späten Abend beendet.
Am 9. Mai, kurz vor 21.00 Uhr, telegrafierte Tegetthoff von Helgoland aus an das Marineministerium in Wien über das zweieinhalbstündige Gefecht und die erlittenen Schäden und Verluste. Weiters teilte er mit daß die Dänen zwischen Helgoland und der Elbmündung kreuzten. Um Mitternacht lichtete Tegetthoff die Anker, um mit abgeblendeten Lichtern nach Cuxhaven zurückzukehren. Ohne weitere Feindberührung ankerte am 10. Mai morgens um 4.00 Uhr das alliierte Nordseegeschwader wieder vor Cuxhaven. Noch am selben Tag ernannte Kaiser Franz Joseph 1. Wilhelm von Tegetthoff zum Konteradmiral.
Müller, K., Tegetthoffs Marsch in die Nordsee, Graz, 1991; p 90
Besuch auf der Fregatte "Schwarzenberg" am Tage nach dem Seegefecht bei Helgoland
Bei dem folgenden Bericht handelt es sich um die hinterlassenen Erinnerungen des Okonomierats Erich von Lehe, geboren 1853 in Padingbüttel, Land Wursten, herausgegeben von Dr. Erich von Lehe, Archivrat in Hamburg. Der 10. Mai 1864 in Cuxhaven wird detailliert wie folgt geschildert:
Als man von diesem Seesiege hörte, war man hier des Lobes voll über die Österreicher und ihren Admiral; die Begeisterung war groß, und viele Leute von hier reisten nach Ritzebüttel, um die dort liegenden Kriegsschiffe zu besehen. Die Seeschlacht war gewesen am 9. Mai und am 10. Mai fuhr auch Vater nach Ritzebüttel - Cuxhaven nannte man damals nur die Häuser am Deiche von der Schleuse bis zur "Alten Liebe" - und nahm mich mit.
Ich war natürlich sehr froh, daß ich mitgenommen wurde, und die Freude wurde noch größer, als wir in Ritzebüttel erfuhren, daß die Besichtigung der Fregatte "Schwarzenberg" heute freigegeben würde.
...
Nach dem Essen gingen wir zum Elbdeich. Die Elbe mit den stolzen Kriegsschiffen in nicht großer Entfernung gewährte bei dem sonnigen schönen Wetter einen prächtigen Anblick. Vorne ankerte die Fregatte "Schwarzenberg". Man konnte ihr von hier, trotz des fehlenden Vordermastes, kaum ansehen, daß sie gestern einen so harten Strauß ausgefochten hatte, die Löcher in der Schiffswand sah man von hier ja nicht. Dann kam die Fregatte "Radetzky" und etwas zurück die drei Kanonenboote. Auf der "Alten Liebe" hatten sich schon verschiedene Leute eingefunden, die auch die Kriegsschiffe, die gestern den Kampf gehabt hatten, in Augenschein nehmen wollten. Ein Ruderboot, das etwa zehn Personen faßte, brachte uns an das Kriegsschiff, das etwa einen Kilometer von der "Alten Liebe" entfernt lag. Da das Wasser ganz schlicht war, war der Aufstieg nicht schwierig, obgleich die Schiffswand mit ihren Stückpforten ziemlich hoch aus dem Wasser emporragte. In der hölzernen Schiffswand, die ein Fuß dick sein mochte, sah man die Löcher, die von den Kanonenkugeln der Dänen gemacht worden waren. Einige Kugeln, die nicht mehr die volle Kraft gehabt hatten, waren, nachdem sie ein Loch von vier bis fünf Zoll geschlagen hatten, zurückgefallen. Die Dänen hatten mit Vollkugeln in Senfkugelgröße geschossen, die ein Gewicht von 30 Pfund haben mochten. Wir wurden anstandslos an Bord gelassen; ein bei der Aufgangsstelle postierter Seesoldat empfing uns und sagte, daß wir uns das Oberdeck besehen könnten. Nach unten zu gehen, könne nicht erlaubt werden. Wir wurden herumgeführt von einem deutschsprechenden Unteroffizier. Die Matrosen, wurde uns gesagt, seien fast alle Italiener und Dalmatier, die Seesoldaten (Marineinfanterie) seien Deutsche. Diese trugen InfanterieUniform aus blauem Tuch und hatten ein Gewehr; sie wurden auf den Schiffen zum Wachdienst verwendet. Beim Nahgefecht konnten sie natürlich auch ihr Gewehr gebrauchen. Diese Seesoldaten schienen mir so eine Art von Polizeitruppe auf den österreichischen Schiffen zu sein. Das Oberdeck war umgeben von einer Bordwand (Brustwehr) von etwa ein Fuß Dicke und vier Fuß Höhe. Etwa acht kleinere Kanonen hatten ihren Stand auf diesem Oberdeck. Die anderen Kanonen befanden sich in der Batterie unter dem Oberdeck.
Dicht bei dem Aufgang war eine Kanonenkugel durch die Brustwehr gegangen, quer über das Deck geflogen und auf der anderen Seite wieder durch die Bordwand gegangen. Auf dem Vorderdeck, wo der Fockmast gestanden hatte, war noch nicht alles wieder in Ordnung. Wanten und Tauwerk lagen hier noch durcheinander. Es muß eine böse Wirtschaft auf dem Schiffe gewesen sein, als der Mast in Brand geriet und im heftigsten feindlichen Feuer gekappt werden mußte. Von den Verwundeten war wohl ein Teil von den anderen Schiffen übernommen worden. Die 32 Toten lagen wohl unter dem Oberdeck. Sie sind am zweiten oder dritten Tag nach der Schlacht in Ritzebüttel ganz feierlich unter großer Beteiligung der Bevölkerung beerdigt worden. Leichtverwundete sah man mehrere auf dem Schiffe herumhumpeln; sie nahmen gerne eine Zigarre an.
Nach etwa einer Stunde traten wir die Rückfahrt an. ....