Marine - Gestern, Heute, 4/1978, p 109

Auszug aus dem Bericht des See-Cadetten Leonhard Bianchi.

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Am 9. Mai zeitlich Früh befahl Tegetthoff, daß die Schiffe sich zum Heizen bereit halten sollen, der Signalkadett aber signalisierte sogleiches Heizen. Wegen dieses Irrtums mußte der betreffende Kadett sogleich in den Arrest wandern, aus welchem ihn aber die nachfolgenden Ereignisse bald befreiten.

Da durch dieses mißverständlich gegebene Signal die Schiffe rascher als beabsichtigt dampfklar waren, setzte Tegetthoff zu früher Morgenstunde die Fahrt Elbe aufwärts fort. Es dauerte nicht lange, als auf einem kleinen Dampfer Konsularagent Kröger uns entgegenkam und sich sogleich zu unserem Kommandanten begab. Als er uns verließ wendeten wir wieder seewärts und obwohl wir den Inhalt der überbrachten Nachricht nicht erfuhren, konnten wir doch leicht das Wahre erraten.

Der Vormittag verging nordwärts steuernd, als um 12 Uhr die Tops der Takelagen dreier sich in Kielwasserlinie bewegender Schiffe am Horizont gesichtet wurden. Als diese uns beinahe gleichzeitig erblickten, wendeten auch sie den Kurs gegen uns. Abteilungsweise wurde noch das Mittagsmahl eingenommen, dann eilte alles so rasch als möglich auf Deck oder zu den angewiesenen Gefechtsposten und wartete nicht erst auf das mit Jubel begrüßte Signal, um Alles zum Gefecht klarzu machen. Mit großer Neugier wurden die an die anderen Schiffe gegebenen Signale abgelesen und als sie hießen "Unsere Armeen haben gesiegt, tun wir desgleichen" brach wieder neuer Jubel aus.

Der erste Schuß fiel um 2 Uhr und wurde durch Schiffsleutnant Gaal mit dem vorderen Steuerbord 24-Pfünder auf die Distanz von 18 Kabel abgegeben. Nach diesem Schusse steckten Alle aus Neugier den Kopf bei den Stückpforten hinaus, wie beim Scheibenschießen. Wie wir später erfuhren soll er getroffen und dem Kadetten Graf Tromp den Fuß abgerissen haben.

Jetzt verflog die jedem Menschen, der nicht, wie in den Romanen schon als Held geboren ist, natürliche erste Bangigkeit; der Gedanke an jede mögliche Gefahr wurde betäubt durch die dringend nötige Anspannung aller Willens-, Geistes- und Körperkräfte und ich muß sagen, nie habe ich beim Exerzieren die Geschütze so schnell laden und leider auch so schnell abfeuern gesehen wie damals.

Wir hatten schon 3 Schüsse mit dem 24Pfünder gemacht, als erst die Dänen dieselben zu erwiedern begannen, jedoch lange Zeit ohne zu treffen. Unsere Matrosen machten anfänglich sogar ihre Witze darüber und schrieen bei jeder Gelegenheit Hurrah, z.B. bei unserem ersten Schusse, beim ersten Schusse der Feinde, einigemale auf den Kaiser und sogar als uns selbst der erste Schuß traf. Aber als es heißer wurde verstummten bald diese lauten Zeichen der Begeisterung.

Da unsere Hauptbestückung zumeist aus glatten 30-Pfündern bestand, welche eine nur geringe Schußweite hatten, die Dänen dagegen viel besser armiert waren, ging Tegetthoff dem Gegner rasch näher, um diesen Nachteil halbwegs auszugleichen.

Unsere glatten Vorderlader mußten zum jedesmaligen Laden durch ein Takel aus der Stückpforte zurückgeholt werden, dann wurde zuerst das in einem Wollsack befindliche Pulver, darauf die damals noch ihrem Namen entsprechende"runde" gußeiserne Kanonenkugel eingeführt und damit diese bei der nächsten Bewegung des Schiffes nicht gleich wieder herausrolle, ein Tauring derselben vorgelegt. Also dreimal mußte die Setzstange gebraucht werden. Dann mußte das Geschütz wieder vorgeholt, der Pulversack aufgestochen, der kapselartige Zünder aufgesetzt, mit Takeln und hölzernen Handspaken die Seitenrichtung, mit untergeschobenen hölzernen Kellen die Höhenrichtung gegeben werden, bis man endlich so weit war den Schuß abfeuern zu können. Wie primitiv kommt uns nun dies heute vor!

Bei unseren Holzschiffen gingen natürlich alle Treffer auch durch die Bordwand, welche nicht nur keinen Schutz bot, sondern deren mitgerissene Planken und Splitter wie neue Projektile wirkten, wenn nicht gar Granaten in derselben platzten. Eine solche explodierte 2 bis 3 Schritte in meiner Nähe. Ein riesiger Schlag warf mich zu Boden, ich glaubte ich sei tot. Der blitzschnelle nächste Gedanke war, nur die Füße seine mir abgeschossen; ich griff danach, sie waren intakt, ich hatte nur minimale Splitterchen in die Waden bekommen, sprang auf und mußte, da ein Atmen in dem erstickenden stinkenden Rauch kaum möglich war, für den ersten Moment den Kopf bei der nächsten Stückpforte hinausstecken. Erst als der Qualm sich verzogen hatte, wurde mir möglich zu konstatieren daß 3 Mann bei diesem Geschütz schwer verwundet waren. Da der Vormeister fehlte, machte ich selbst einige Schüsse bis Ersatz für ihn geschafft war. Bald darauf sah ich den ähnlichen Vorgang bei der mir nächsten Sektion, wo ebenfalls eine platzende Granate den Schiffsfähnrich Lehnert und Kadett v. Görtz, sowie die Geschützbemannung zu Boden reißend alles in dichten Qualm einhüllte. Da ich sie nicht mehr sah, überhaupt der Pulverdampf in der Batterie kaum weiter als bis zu den nächsten Geschützen blicken ließ, befürchtete ich für sie Ärgeres als mir geschehen war. Später nach Beendigung des Gefechtes, als wir einander wieder begegneten, riefen wir uns in die taub gewordenen Ohren "Was, Du lebst noch ich sah dich ja fallen!"Einen anderen nicht ganz heimlichen Moment möchte ich noch hervorheben.

Ich stand bei meinen 4 Geschützen backbord nicht weit von der Luke, welche zum Heraufreichen der Munition diente, als ich Funken herauffliegen sah und in den unteren Räumen Unruhe bemerkte. Bald darauf eilte der Korridorkadett an mir vorüber, ich frug "was gibt's" er aber erwiderte, "bei der Pulverkammer brennt's" und lief weiter, um es dem Kommandanten zu melden. Einigermaßen mißtrauisch schaute ich auf die, doch zum Glücke immer vereinzelter auffliegenden Fünkchen, von der erfolgten Löschung des Brandes lange nichts erfahrend. Dagegen regneten bald andere Funken, in immer reichlicher Menge durch die obere Decklucke herab. Der Bauch des Vormarssegels hatte durch eine darin geplatzte Granate Feuer gefangen und trotzdem der in der Vormars seinen Gefechtsposten innehabende Offizier sein Möglichstes tat, um den beginnenden Brand zu löschen, konnten die geringen Hilfsmittel nicht mehr genügen, und überdies waren die Spritzen, welche so weit hinauf hätten reichen können, zerschossen. Der Brand des Mastes griff immer weiter um sich, da die Segel und geteerten Taue demselben reiche Nahrung boten und als die herabfallenden Stücke sowie der über Deck getriebene qualmende Teerrauch die Bedienung der Deckgeschütze unmöglich machte und immer mehr Leute verwendet werden mußten um das Weitergreifen des Brandes zu verhindern, entschloß sich um 3/4 4 Uhr Tegetthoff dem Schiffe eine andere Fahrtrichtung zu geben. Wir waren darauf gefaßt, daß die Dänen diesen Vorteil ausnutzen würden, aber auch sie mußten tüchtig zugerichtet gewesen sein, da sie beinahe gleichzeitig nordwärts wendeten und auf jede Verfolgung verzichteten. Wir waren durch 153 Schüsse in Rumpf und Takelage getroffen worden, hatten 3 Feuersbrünste an Bord und den Verlust mehr als eines Fünftels der Bemannung zu beklagen, aber auch die Dänen hatten schwer gelitten und späterhin glaubten wir zu sehen, wie eine ihrer Fregatten durch die andere in Schlepp genommen wurde. Wir nahmen Kurs gegen das nahe Helgoland, ankerten aber nicht daselbst, sondern blieben in leichter Fahrt begriffen, um den Qualm vom Schiff wegtreiben zu lassen. Nachdem die Raaen herabgestürzt und die Vormarsstenge das Deck durchschlagen hatte, brannte der aufrecht gebliebene Untermast weiter und leuchtete besonders Nachts wie eine Riesenfackel bis er um 11 Uhr endlich gekappt werden konnte.

Die in dieser Zeit unter Dampf stets bereit gewesene englische Fregatte "AURORA" schickte Boote mit dem Antrag beim Löschen behilflich zu sein, Tegetthoff jedoch, erbost durch vorhergegangene Umstände, welche oft genug bewiesen hatten, daß die Engländer uns in diesem Krieg mißgünstig waren, lehnte dies mit dem kräftigen Fluch ab "Sie sollen sich zum Teufel scheren, wir werden uns schon selber helfen". Noch in derselben Nacht ankerten wir vor Cuxhaven.

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