Blasich, B., in Streffleurs Militärischer Zeitschtrift, 55 Jg., Wien 1914

Das Seegefecht bei Helgoland.

Zum Gedenken an die Feuertaufe unserer Kriegsmarine vor 50 Jahren.

Tegetthoffs Bericht an den 1. Generaladjutanten Seiner Majestät, FMLt. Graf Folliot de Crenneville, abgesandt am 10. Mai 1864 aus Cuxhaven.

"In gehorsamstem Befolg Euer Exzellenz Telegrammes vom heutigen Datum erlaube ich mir Euer Exzellenz über das zwischen der Österreichisch-preußischen Flottenabteilung und den dänischen Schffen am gestrigen Tage in den Gewässern von Helgoland stattgehabte Seegefecht Nachstehendes gehorsamst zu melden.

Freitag den 6. Mai war ich auf eine durch den hiesigen k. k. Konsularagenten erhaltene Nachricht, daß dänische Schiffe vor der Elbe-Mündung gesehen worden seien, mit der vereinigten Flottenabteilung von hier ausgelaufen. Den 7. bei Sonnenaufgang sah man einen großen Dreimaster am Horizonte, auf welchen ich alsogleich Jagd geben ließ, den wir aber nachträglich, nachdem wir ihn erreichten, als eine englische Fregatte erkannten.

Gestern morgens lief ich, nachdem alle Nachforschungen nach dänischen Kriegsschiffen das übereinstimmende Resultat gegeben hatten, daß solche seit 14 Tagen nicht mehr vor der Elbe gesehen worden seien, wieder in die Elbe ein, um den Kohlenvorrat der preußischen Kanonenboote, welcher schon sehr zusammengeschmolzen war, wieder ergänzen zu lassen.

Die Schiffe waren noch auf dem Wege nach Cuxhaven, als mir der dortige k. k. Konsularagent entgegenkam und mir ein Telegramm ans Helgoland übergab, welches die Anwesenheit dreier anscheinend dänischer Fregatten in jenem Gewässer meldete.

Ich ließ daher augenblicklich wenden und die Flottenabteilung nach See zu steuern. Um 1 Uhr nachmittags kamen 3 Kriegsschiffe in Sicht, welche sich alsbald als dänische, u. zw. als 2 schwere Fregatten und 1 Korvette erwiesen.

Ich ließ den Schiffen telegraphieren: "Unsere Armeen haben Siege erfochten, tun wir das gleiche", hierauf "Klarschiff zum Gefechte" signalisieren und nahm den entsprechenden Kurs um den feindlichen Schiffen, welche gegen Helgoland steuerten, den Weg abzuschneiden.

Die vereinigte Flottenabteilung war in Schlachtlinie formiert und verfolgte einen nordwestlichen Kurs, während die dänischen Schiffe ebenfalls in Schlachtlinie gegen 1 1/2 Uhr nachmittags wendeten und einen südöstlichen Kurs, also uns entgegen, nahmen.

Auf eine Distanz von 18 1/2 Kabeln wurde das Gefecht unsererseits zuerst mit den Pivot-Geschützen eröffnet und sodann mit den Breitseitengeschützen auf 8 1/2 und 10 Kabel fortgesetzt.

Nachdem ich sah, daß auf diese Weise ein Erfolg nicht sobald erzielt werden würde, beschloß ich, die Distanzen zu vermindern und ließ deshalb die Flottenabteilung durch den Kontermarsch wenden und einen östlichen Kurs, also konvergierend mit jenem der dänischen Schiffe, einschlagen. Dadurch gelang es mir, die Distanzen sukzessive bis auf 2 Kabel zu reduzieren.

Während dieser ganzen Zeit unterhielten wir ein wohlgenährtes Geschützfeuer, welches von den Dänen mit sehr großer Heftigkeit erwidert wurde.

Einer der ersten Schüsse, welcher die Fregatte Schwarzenberg traf, war eine Granate, welche in der Batterie explodierte und fast die ganze Bemannung eines Geschützes außer Gefecht setzte.

Zweimal brach auf der Fregatte Feuer aus, einmal durch eine Granate, welche in der Bordwand, und einmal durch eine Granate, welche im Banjerdeck ober dem Eingang der vorderen Pulverkammer explodiere und das Segeldepot in Brand steckte.

Beidemale wurde das Feuer gelöscht, ohne daß das Gefecht hiedurch die kleinste Unterbrechung erlitt.

Gegen 4 Uhr, nach fast zweistündigem sehr heftigem Gefechte, fing der Bauch des Vormarssegels der Fregatte Schwarzenberg durch eine hindurchgegangene Granate Feuer, welches sich mit rasender Schnelligkeit verbreitete.

Die Schläuche unserer Feuerspritzen reichten nicht bis in die Höhe der Vormarsraa und der Schlauch der Maschinenpumpe, der einzigen, welche das Wasser bis zur Höhe hätte treiben können, war durch eine Kugel durchschnitten worden.

Ein Löschen des Brandes war daher, solange er in solcher Höhe über Deck fortdauerte, zur Unmöglichkeit geworden.

Der Wind wehte sehr frisch aus Ostsüdost, ungefähr unser Kurs, und trieb daher das Feuer nach Achter; es war somit unumgänglich nötig abzufallen, was einzig und allein Hoffnung geben konnte, dem Umsichgreifen des Brandes Einhalt zu tun. Die Schwarzenberg mußte somit abfallen. Ich ließ daher der Flottenabteilung das Signal machen: "Man falle ohne Zeitverlust vom Winde ab" und hierauf: "Man bilde die Frontlinie nach der natürlichen Ordnung." Ich nahm Kurs gegen Helgoland. Die dänischen Schiffe sandten uns noch einige Kugeln mit ihrer Breitseiten nach, die wir aus unseren Pivot-Geschützen erwiderten, versuchten aber eine Verfolgung der vereinigten Flottenabteilung nicht, sondern nahmen einen nordöstlichen Kurs und verschwanden alsbald in jener Richtung.

Ich blieb mit der Fregatte Schwarzenberg im Osten von Helgoland in Bewegung, um sie stets von dem Winde zu halten, bis wir des Feuers Meister würden.

Nach und nach stürzten die verbrannte Vormarsraa, Fockraa und endlich auch die Vormarsstenge und das stehende Gut des Fockmastes auf Deck. Bei dieser Gelegenheit ging auch der Klüverbaum über Bord.

Als nur mehr der Untermast allein stand und stets fortbrannte, blieb nichts anderes übrig, als denselben zu kappen. Mit dieser Arbeit kamen wir erst um 10 1/2 Uhr nachts zu Ende, während die Vormarsstenge, welche beim Herunterstürzen im Deck stecken geblieben war und in ihrem oberen Ende fortbrannte, erst um 1 Uhr nachts durchgesägt war und sodann gelöscht werden konnte.

Das Kappen des Fockmastes nahm deswegen so lange Zeit in Anspruch, weil sich anfänglich wegen der unaufhörlich herabstürzenden glühenden Mastenringe, brennenden Stücke der Mars, der Längs- und Quersalingen, des Eselshauptes u. s. w. niemand dem Fuße des Mastes nähern konnte.

Um 10 1/2, Uhr abends, als nach beendetem Kappen des Fockmastes die Fregatte Schwarzenberg wieder gegen Wind steuern konnte, trat die Flottenabteilung ihre Reise nach der Elbe-Mündung an und ankerte heute um 4 Uhr morgens auf der Reede von Cuxhaven.