Verordnung des k. k. Handelsministeriums vom 10. April 1906 betreffend die Vorschriften zur Verhütung von Zusammenstößen auf See.

 

Verordnung des k. k. Handelsministeriums

Vom 10. April 1906 betreffend

die Vorschriften zur Verhütung von Zusammenstößen auf See.

 

Einleitende Bestimmungen.

Alle Schiffe auf hoher See und auf den mit ihr verbundenen, für Seeschiffe befahrbaren Gewässern, haben die nachstehenden Vorschriften zu befolgen. Im Sinne dieser Vorschriften ist jedes Schiff, welches mit Segel und nicht mit Dampf fährt, als "Segelschiff", und jedes mit Dampf fahrende Schiff, mag es zugleich Segel führen oder nicht, als "Dampfschiff" anzusehen.

Das Wort "Dampfschiff" umfaßt jedes Schiff, welches durch Maschinenkraft fortbewegt wird.

Im Sinne dieser Vorschriften ist ein Schiff in Fahrt, wenn es weder vor Anker liegt, noch am Lande festgemacht ist, noch am Grunde festsitzt.

Steuer- und Segelregeln.

Einleitung.

Die Gefahr des Zusammenstoßes kann, wenn die Umstände es gestatten, durch sorgfältige Beobachtung der Kompaßpeilung eines sich nähernden Schiffes festgestellt werden. Wenn die Peilung sich nicht erheblich ändert, so ist eine solche Gefahr als vorhanden anzusehen....

Artikel 16.

Jedes Schiff muß bei Nebel, mistigem Wetter, Schneefall oder schweren Regenböen mit mäßiger Geschwindigkeit fahren, unter sorgfältiger Berücksichtigung der obwaltenden Verhältnisse.

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Artikel 17.

Wenn zwei Segelschiffe sich einander nähern, so daß Gefahr des Zusammenstoßes besteht, so muß eines von ihnen dem anderen folgendermaßen aus dem Wege gehen, nämlich:a) Ein Schiff mit raumem Winde muß einem dicht am Winde segelnden Schiffe aus dem Wege gehen.

b) Ein Schiff, das mit Backbordhalsen dicht am Winde segelt, muß einem mit Steuerbordhalsen dicht am Winde segelnden Schiffe aus dem Wege gehen.

c) Wenn beide Schiffe raum segeln, den Wind jedoch von verschiedener Seite haben, so muß dasjenige Schiff, welches den Wind von Backbord, hat, dem anderen aus dem Wege gehen.

d) Wenn beide Schiffe raumsegelnd den Wind von derselben Seite haben, so muß das luvwärts segelnde Schiff dem leewärts befindlichen aus dein Wege gehen.

e) Ein Schiff, welches vor dem Winde segelt, muß einem anderen aus dem Wege eben.

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Artikel 18.

Wenn zwei Dampfschiffe in gerade entgegengesetzter oder nahezu entgegengesetzter Richtung sich begegnen, so daß Gefahr des Zusammenstoßes besteht, so muß jedes der beiden Schiffe seinen Kurs nach Steuerbord ändern, damit sie einander an Backbord frei passieren.Dieser Artikel findet nur auf Fälle Anwendung, in welchen die Schiffe sich in gerade entgegengesetzter oder nahezu entgegengesetzter Richtung derart begegnen, daß die Gefahr des Zusammenstoßes besteht, und findet keine Anwendung auf Schiffe, welche, wenn beide ihre Kurse beibehalten, frei voneinander passieren.

Die einzigen Fälle, worauf sich dieser Artikel bezieht, sind jene, in welchen jedes der beiden Schiffe gerade oder beinahe gerade auf das andere zusteuert, mit anderen Worten, diejenigen Fälle, in welchen bei Tage jedes Schiff die Masten des anderen in einer Linie oder beinahe in einer Linie sieht; und bei Nacht diejenigen Fälle, in denen jedes Schiff in solcher Stellung sich befindet, daß es beide Seitenlichter des anderen Schiffes sieht.

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Artikel 21.

Wenn nach irgend einer dieser Regeln das eine von zwei Schiffen dem anderen aus dem Wege zu gehen hat, muß das andere seinen Kurs und seine Geschwindigkeit beibehalten.Wenn infolge von dickem Wetter oder aus anderen Ursachen sich ein solches Schiff so nahe dem anderen befindet, daß ein Zusammenstoß durch das Manöver des zum Ausweichen verpflichteten Schiffes allein nicht vermieden werden kann, so soll auch ersteres ein solches Manöver vornehmen, wie es am besten geeignet ist, zur Verhütung eines Zusammenstoßes beizutragen.

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BGBl 529. Ausgegeben am 10 November 1977; Übereinkommen von 1972 über die internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See.

Übereinkommen von 1972 über die internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See samt Anlagen.

Teil A - Allgemeines

Regel 1 Anwendung

a) Diese Regeln gelten für alle Fahrzeuge auf Hoher See und auf den mit dieser zusammenhängenden, von Seeschiffen befahrbaren Gewässern.

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Regel 3 - Allgemeine Begriffsbestimmungen

Soweit sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, gilt für diese Regeln folgendes:

a) Der Ausdruck "Fahrzeug" umfaßt alle Wasserfahrzeuge einschließlich nicht wasserverdrängender Fahrzeuge und Wasserflugzeuge, die als Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden können.

                            b) Der Ausdruck "Maschinenfahrzeug" bezeichnet ein Fahrzeug mit Maschinenantrieb.

c) Der Ausdruck "Segelfahrzeug" bezeichnet ein Fahrzeug unter Segel, dessen Maschinenantrieb, falls vorhanden, nicht benutzt wird.

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i) Der Ausdruck "in Fahrt" bedeutet, daß ein Fahrzeug weder vor Anker liegt noch an Land festgemacht ist noch auf Grund sitzt.

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Regel 5 - Ausguck

Jedes Fahrzeug muß jederzeit durch Sehen und Hören sowie durch jedes andere verfügbare Mittel, das den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht, gehörigen Ausguck halten, der einen vollständigen Überblick über die Lage und die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes gibt.

Regel 6 - Sichere Geschwindigkeit

Jedes Fahrzeug muß jederzeit mit einer sicheren Geschwindigkeit fahren, so daß es geeignete und wirksame Maßnahmen treffen kann, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, und innerhalb einer Entfernung zum Stehen gebracht werden kann, die den gegebenen Umständen und Bedingungen entspricht.

Zur Bestimmung der sicheren Geschwindigkeit müssen unter anderem folgende Umstände berücksichtigt werden:

a) Von allen Fahrzeugen:

                        i) die Sichtverhältnisse;

                        ii) die Verkehrsdichte einschließlich Ansammlungen von Fischerei- oder sonstigen Fahrzeugen;

iii) die Manövrierfähigkeit des Fahrzeugs unter besonderer Berücksichtigung der Stoppstrecke und der Dreheigenschaften unter den gegebenen Bedingungen;

iv) bei Nacht eine Hintergrundhelligkeit, z.B. durch Lichter an Land oder eine Rückstrahlung der eigenen Lichter;

                            v) die Wind-, Seegangs- und Strömungsverhältnisse sowie die Nähe von Schiffahrtsgefahren;

                            vi) der Tiefgang im Verhältnis zur vorhandenen Wassertiefe.

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Regel 7 - Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes

a) Jedes Fahrzeug muß mit allen verfügbaren Mitteln entsprechend den gegebenen Umständen und Bedingungen feststellen, ob die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes besteht. Im Zweifelsfall ist diese Möglichkeit anzunehmen.

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d) Bei der Feststellung, ob die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes besteht, muß unter anderem folgendes berücksichtigt werden:

i) Eine solche Möglichkeit ist anzunehmen, wenn die Kompaßpeilung eines sich nähernden Fahrzeugs sich nicht merklich ändert;

ii) eine solche Möglichkeit kann manchmal auch bestehen, wenn die Peilung sich merklich ändert, insbesondere bei der Annäherung an ein sehr großes Fahrzeug, an einen Schleppzug oder an ein Fahrzeug nahebei.

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Regel 12 - Segelfahrzeuge

a) Wenn zwei Segelfahrzeuge sich einander so nähern, daß die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes besteht, muß das eine dem anderen wie folgt ausweichen:

i) Wenn sie den Wind nicht von derselben Seite haben, muß das Fahrzeug, das den Wind von Backbord hat, dem anderen ausweichen;

ii) wenn sie den Wind von derselben Seite haben, muß das luvwärtige Fahrzeug dem leewärtigen ausweichen;

iii) wenn ein Fahrzeug mit Wind von Backbord ein Fahrzeug in Luv sichtet und nicht mit Sicherheit feststellen kann, ob das andere Fahrzeug den Wind von Backbord oder von Steuerbord hat, muß es dem anderen ausweichen.

b) Im Sinne dieser Regel ist die Luvseite diejenige Seite,die dem gesetzten Großsegel gegenüber liegt, auf Rahseglern diejenige Seite, die dem größten gesetzten Schratsegel gegenüberliegt.

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Regel 14 Entgegengesetzte Kurse

a) Wenn zwei Maschinenfahrzeuge auf entgegengesetzten oder fast entgegengesetzten Kursen sich einander so nähern, daß die Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes besteht, muß jedes seinen Kurs nach Steuerbord so ändern, daß sie einander an Backbordseite passieren.

b) Eine solche Lage muß angenommen werden, wenn ein Fahrzeug das andere recht voraus oder fast recht voraus sieht, bei Nacht die Topplichter des anderen in Linie oder fast in Linie und/oder beide Seitenlichter sieht und am Tage das andere Fahrzeug dementsprechend ausmacht.

c) Kann ein Fahrzeug nicht sicher erkennen, ob eine solche Lage besteht, so muß es von dieser ausgehen und entsprechend handeln.

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Regel 17 - Maßnahmen des Kurshalters

a) i) Muß von zwei Fahrzeugen eines ausweichen, so muß das andere Kurs und Geschwindigkeit beibehalten (Kurshalter).

ii) Der Kurshalter darf jedoch zur Abwendung eines Zusammenstoßes selbst manövrieren, sobald klar wird, daß der Ausweichpflichtige nicht angemessen nach diesen Regeln handelt.

Ist der Kurshalter dem Ausweichpflichtigen aus irgendeinem Grund so nahe gekommen, daß ein Zusammenstoß durch Manöver des letzteren allein nicht vermieden werden kann, so muß der Kurshalter so manövrieren, wie es zur Vermeidung eines Zusammenstoßes am dienlichsten ist.