Attlmayer, F., Das Internationale Seerecht, Wien, 1903; p 48
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II. Nothwendigkeit der Staatsangehörigkeit der Schiffe, welche die See befahren.
Schiffspapiere.
Der freie Verkehr zur See verlangt eine Bürgschaft, welche nur die Staaten, nicht Individuen oder Körperschaften zu bieten vermögen.
Die Schiffe, welche die See befahren, müssen daher irgend einem Staate angehören, dessen Schutz sie zugleich genießen.
Durch die Unterstellung der das Meer befahrenden Schiffe unter die Staatshoheit ist nicht nur ein Mittel gegeben, den freien Verkehr zur See gegen gewaltsame Störungen zu sichern, es ist hiedurch auch die Möglichkeit geboten, demselben erhöhte Sicherheit zu gewähren, indem die Schiffe an übereinstimmende Gesetze der Staaten über Straßenregeln und Lichterführung, über Signalisierung und gegenseitige Hilfeleistung gebunden werden.
Mag der Staat, dessen Flagge ein Schiff führt, mehr oder weniger civilisiert, dem Völkerrechte mehr oder weniger nahe stehen, immerhin ist es eine Nothwendigkeit, dass jedes Schiff irgend einem Staate angehöre, um ohne Gefahr für sich und ohne Bedrohung anderer am maritimen Verkehr theilzunehmen.
Die Gesetze der einzelnen Staaten bestimmen, unter welchen Bedingungen ein Schiff die Staatsangehörigkeit erlangen kann. Schiffe, welche Staatseigenthum sind, wie Kriegsschiffe, Fahrzeuge für den Zoll- und Sanitätsdienst etc. sind an und für sich dem Staate angehörig. In diese Kategorie sind auch Schiffe und Fahrzeuge zu rechnen, welche für Staatszwecke gemietet sind, insolange dieses Mietsverhältnis dauert.
Die Normen betreffs der Staatsangehörigkeit - der Nationalität - eines Privatschiffes beziehen sich auf das Schiff selbst und auf Personen. Betreffs des Schiffes: auf Bau und Ursprung desselben, ob im In- oder Auslande gebaut, und im letzteren Falle, unter welchen Umständen es die Flagge des Staates führen dürfe; betreffs Personen: auf die Eignerschaft, ob das Schiff ausschließlich Staatsangehörigen eigen sein müsse, oder ob und in welchem Verhältnisse Fremde Antheil an demselben haben dürfen; auf Schiffsführer und Schiffsofficiere, ob alle Staatsangehörige sein müssen und inwieweit Fremde als Schiffsführer oder als Schiffsofficiere zulässig sind; auf die Mannschaft, ob die gesammte Schiffsbesatzung staatsangehörig sein müsse, oder zu welchem Theile dieselbe aus Fremden bestehen dürfe.
In Österreich-Ungarn bestehen nachfolgende Bestimmungen:
Jedes See-Handelsschiff muss in das Schiffsregister eingetragen oder mit einem Interimspass (Flaggen-Attest) versehen sein.
Die Eintragung ins Schiffsregister kann nur dann erfolgen, wenn das Schiff wenigstens zu zwei Dritttheilen Eigenthum von Österreichern (Ungarn) ist. Diesen Personen sind gleich zu achten Actiengesellschaften, soferne sie auf österreichischem (ungarischem) Territorium errichtet sind und daselbst ihren Sitz haben.
Jedes österreichische (ungarische) See-Handelsschiff soll von einem Österreicher (Ungarn) befehligt werden, und wenn es der weiten Seefahrt angehört, nebst dem Schiffer auch einen österreichischen (ungarischen) Steuermann (Tenente) an Bord haben. Jedes österreichische (ungarische) Schiff muss innerhalb des österreichischen (ungarischen) Territoriums einen Heimatshafen haben.
Als Heimatshafen ist derjenige Hafen zu betrachten, von welchem aus mit dem Schiffe die Seefahrt betrieben werden soll.
Das Register der Schiffe weiter Fahrt und jenes der großen Küstenfahrt wird von der Seebehörde, jenes der kleinen Küstenfahrt von dem Hafenamt geführt, in dessen Amtsbezirk der Heimatshafen liegt. Die weite Fahrt erstreckt sich auf alle Meere, die große Küstenfahrt auf das Adriatische und Mittelländische Meer, auf das Schwarze und Azowische Meer, auf den Suez-Canal und das Rothe Meer.
Die kleine Küstenfahrt erstreckt sich auf das Adriatische Meer bis zum Cap Santa Maria di Leuca im Westen, Cap Clarenza im Osten einschließlich des Golfes von Lepanto und der Jonischen Inseln bis Zante.
Um seine Staatsangehörigkeit darzuthun, und über Ladung und Reiseziel Aufschluss zu geben, was speciell in Kriegszeiten wichtig erscheint, hat jedes Privatschiff bestimmte Schiffspapiere mit sich zu führen.
Diese Schiffspapiere beziehen sich auf den Nachweis der Nationalität des Schiffes, auf die Bemannung und Passagiere, auf die Ladung, auf die jedesmalige Reise.
Für den Nachweis der Nationalität des Schiffes kommen in Betracht:
Der Registerbrief (Certificat), bezw. der Interimspass (Flaggenattest), welch letzterer im Falle, als ein Schiff im Auslande erworben worden ist, von einer competenten Behörde (Consulat) für eine bestimmte kurze Zeit ertheilt wird, bis die Registrierung platzgreifen kann.
Der Registerbrief, bezw. Interimspass genügt zum Nachweis der Nationalität eines Schiffes; doch kommt anderweit in der Praxis noch der Seebrief, Seepass als Attest der Nationalität eines Schiffes vor; derselbe ist die amtliche Legitimation des Capitäns (Schiffers) zur Seefahrt unter nationaler Flagge mit einem bestimmten Schiffe, und enthält in der Regel Namen und Domicil der Rheder, Namen des Heimatshafens und den Tonnengehalt des Schiffes, Namen, Heimatshafen und Domicil des Capitäns (Schiffers). ...
Attlmayer, F., Das Internationale Seerecht, Wien, 1903; p 53
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III. Verlust der Staatsangehörigkeit durch Seeraub. - Der Sclavenhandel. - Die Kriegsschiffe als die völkerrechtlichen Sicherheits-Organe auf offenem Meere.
Seeraub, Piraterie, im völkerrechtlichen Sinne, ist ein außerhalb des Territorial-Meeres eines civilisierten Staates, ohne Autorisation von Seite eines anerkannten politischen Gemeinwesens begangener Gewaltact, welcher seiner Natur nach den freien Seeverkehr gefährdet, und den Thäter der Angehörigkeit an ein civilisiertes Staatswesen entkleidet.
Als ein Verbrechen im völkerrechtlichen Sinne kann nur ein außerhalb des Territorialmeeres eines civilisierten Staates verübter Gewaltact angesehen werden, weil jede Verletzung der Gesetze, daher auch jeder Gewaltact innerhalb des gedachten Territoriums, der Gerichtsbarkeit des Uferstaates unterliegt und nur von diesem zu ahnden ist.
Der Gewaltact muss ohne Autorisation von Seite eines anerkannten politischen Gemeinwesens ausgeführt worden sein; denn der Seeraub bedingt, vom Standpunkte des Völkerrechtes betrachtet, ein Handeln auf eigene Faust und schließt die Verantwortlichkeit oder Mitverantwortlichkeit eines Staates aus.
Das gewaltthätige, die Autorität des eigenen Staates verleugnende Auftreten in Gewässern, welche der unmittelbaren Controle der civilisierten Staaten entrückt sind, bedingt aber in sich schon den Verlust der bisherigen Nationalität des Thäters, der sich durch sein Vorgehen überhaupt des Schutzes jeder civilisierten Macht begeben hat.
Mit dem Seeraub ist nicht nothwendig ein Raubact verbunden.
Wenn z. B. eine Schiffsbemannung gegen ihre Officiere revoltiert und sich der Schiffsführung bemächtigt, so begeht sie hiemit, wenn auch thatsächlieh eine Beraubung der Angefallenen oder ein Angriff auf Schiffsgut nicht stattgefunden hat, das Verbrechen des Seeraubes, weil sie das Schiff den vom Staate eingesetzten Autoritäten entrissen und hiemit sich auch vom Heimatsstaat des Schiffes losgesagt hat.
Missglückt jedoch die Revolte, so verfallen die Schuldigen der Strafe als Meuterer, nicht als Piraten.
Der Seeraub als Auflehnung gegen die ganze civilisierte Welt, nicht gegen einen einzelnen Staat, löst die Thäter von jeder staatlichen Verbindung los, und es steht demgemäß jedem, welcher Piraten in See begegnet, und welchem die Möglichkeit geboten ist, dieselben in seine Gewalt zu bringen, das Recht, vielmehr die Pflicht zu, sich derselben zu bemächtigen.
Die Tribunale jedes civilisierten Staates sind ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Individuen völkerrechtlich befähigt, Piraten zu richten.
Derjenige, welcher ein Seeräuberschiff weggenommen hat, braucht keine Rücksicht darauf zu nehmen, welchem Staate dasselbe ursprünglich angehört haben mag; er kann es in den Hafen irgend einer civilisierten Macht bringen und daselbst den Gerichten übergeben.
Von dem Grundsatze ausgehend, dass im Interesse des Weltverkehres Seeräuberschiffen unter allen Umständen und baldigst das Handwerk zu legen sei, dürfen Schiffe, welche bei Verfolgung eines Piratenschiffes in das Territorialwasser eines civilisierten Staates gerathen sind, die Jagd nur dann aufgeben, wenn sie unter den gegebenen Umständen darauf rechnen können, dass das Seeräuberschiff in die Gewalt des Uferstaates fallen werde.
Ist dies nicht der Fall, haben die Schiffe die Gelegenheit, sich des Piraten zu bemächtigen, voll auszunutzen. Das genommene Seeräuberschiff ist aber dann bei gleichzeitiger Motivierung des eigenen Vorgehens den Gerichten des Uferstaates zu überantworten.
Die Seeräuberei ist so alt wie die Schiffahrt. Noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts waren Piraterien im Mittelmeere nicht selten. Heutzutage ist ihr Schauplatz vornehmlich das Labyrinth der ostasiatischen Inselwelt und die Küste von China.
Dass Seeräuberei auf ein relativ so eng begrenztes Feld zurückgedrängt worden, ist - abgesehen von den riesigen Culturfortschritten im allgemeinen - wohl der Strenge zu danken, mit der man jederzeit gegen Seeräuber vorgegangen war.
Das Verbrechen des Seeraubes ward zu allen Zeiten mit den schwersten Strafen belegt. Den Captoren waren weitgehende Strafbefugnisse eingeräumt. Heutzutage können Seeräuber, wenn auch auf frischer That betreten oder durch Zusammentreffen gravierender Indicien rechtlich überwiesen, wie andere Verbrecher, nur durch competente Tribunale verurtheilt werden.
Das Seeräuberfahrzeug nebst den an Bord befindlichen Gütern, soweit dieselben den Räubern gehören, ist der Confiscation unterworfen.
Letztere erfolgt für jenen Staat, dem der Nehmer angehört. Die geraubten Gegenstände werden den früheren Eigenthümern, soweit solche zu ermitteln sind, zur Verfügung gestellt.
Wird ein Privatschiff von einem Seeräuberfahrzeug angegriffen, dieses aber von jenem überwunden, und ist der Sieger außer Stande, die gefangenen Räuber sicher zu verwahren, und nach einem geeigneten Seehafen abzuliefern, so ist er, da ein Fall der Nothwehr vorliegt, berechtigt, standrechtlich über die Räuber zu richten und das Todesurtheil sofort zu vollziehen. Doch ist ein genaues Protokoll über das gerichtliche Verfahren aufzunehmen.
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Attlmayer, F., Das Internationale Seerecht, Wien, 1903; p 83
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Repressalien zur See.
In früheren Jahrhunderten. war eine von Seestaaten häufig angewendete Repressalie die Ausgabe von "lettres de marque, de represaille", Kaperbriefen an Private mitten im Frieden.
Durch selbe wurden diese Privaten ermächtigt, für erlittene Schäden zur See, z. B. durch Wegnahme ihrer Schiffe seitens einer anderen Nation sich selbst an dem schwimmenden Gut dieser letzteren schadlos zu halten.
So ertheilte Ludwig XVI. noch 1778 zwei Rhedern von Bordeaux, denen die Engländer 11 Schiffe gekapert hatten, Kaperbriefe mit der Ermächtigung, Güter englischer Unterthanen im Werte der erlittenen Verluste wegzunehmen.
Auch Kriegsschiffe wurden zu solchen Repressalien benützt.
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Wenn auch Repressalien der beschriebenen Form nicht mehr vorkommen und als völkerrechtswidrig gelten, so ist doch die Wegnahme von Handels- oder Kriegsschiffen auch heutzutage als Repressalie angewendet worden; doch als Staatsact gegenüber einer staatlichen Rechtsverweigerung.
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Attlmayer, F., Das Internationale Seerecht, Wien, 1903; p 179
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VI. Das Durchsuchungsrecht und dessen Ausübung.
Über Behandlung der Prisen, Prisengerichte.
Dieses Kriegsrecht ist die nothwendige Ergänzung des Kriegsrechtes der Wegnahme feindlicher Schiffe und feindlichen Gutes, neutraler Schiffe wegen Kriegs-Contrebande und Blockadebruchs.
Dasselbe kann nur von Kriegsschiffen der kriegführenden Mächte auf hoher See, in den eigenen und in feindlichen Territorialgewässern ausgeübt werden, und ist nur gegenüber Privatschiffen anwendbar, nicht gegenüber Kriegsschiffen, welche als solche unmittelbar und ausschließlich der Controle ihrer Staaten unterstehen.
Der Vorgang bei Ausübung des Durchsuchungsrechtes ist im ersten Stadium ein analoger, wie in Friedenszeiten bei Constatierung der Nationalität eines Schiffes für den Fall, dass ein dringender Verdacht des Seeraubes vorliegt.
Ist das zu untersuchende Schiff zum Anhalten gebracht, so wird sich der Kreuzer in einer Entfernung von demselben halten, wie Wind und Seegang dies bedingen, um einerseits das zu visitierende Schiff überwachen und anderseits dem zu entsendenden eigenen Boote alsbald Unterstützung bringen zu können.
Es wird hierauf ein Officier mit einem Boote an Bord des zu visitierenden Schiffes gesandt. Dieser begibt sich mit ein paar Mann seines Bootes an Bord des Schiffes, verhört den Schiffsführer und prüft die Schiffspapiere, um aus denselben die Nationalität des Schiffes und den Charakter der Ladung und die Eigenthumsverhältnisse zu entnehmen.
Bezüglich der Nationalität des Schiffes ist das Register-Certificat (der Seepass, der Interimspass) einzusehen. Im Falle, dass diese Papiere fehlen, oder sich Zweifel ergeben, so ist in dem Beilbrief, Messbrief, Rhedereiverzeichnis und anderen Eigenthums-Documenten, endlich in der Musterrolle Aufklärung zu suchen. Der Untersuchende wird darauf zu achten haben, dass sich die vorgezeigten Documente thatsächlich auf das zu visitierende Schiff beziehen. Betreffs Abgangsort, Route und Bestimmung des Schiffes sind dem Untersuchenden das Schiffstagebuch, die Musterrolle, die Pässe, Zoll-Clarierungsdocumente und Ladungspapiere vorzulegen. Unter letzteren werden die Frachtverträge, das Manifest und Connossement die Natur der Ladung constatieren.
Wenn ihm nach genauer Durchsicht der Schiffspapiere Verdachtsgründe auftauchen, dass erstere falsch oder gefälscht, oder dass doppelte Papiere vorhanden sind, oder wenn wichtige Papiere wie zum Beispiel Register-Certificat, Ladungsdocumente fehlen, oder wenn Anzeichen gegeben sind, dass Papiere beseitigt worden sind u. dgl., so schreitet er zur Untersuchung von Schiff und Ladung. Bei der Untersuchung ist rücksichtsvoll vorzugehen, der Schiffer ist derselben beizuziehen.
Nach manchen Reglements soll das allfällige Öffnen von Luken, Colli und Kisten etc. durch den Schiffer veranlasst werden. Ist nichts an Bord, was Gegenstand der Wegnahme sein könnte, so liegt es im Interesse des Schiffers durch freiwilliges Öffnen der Ladungsräume dem visitierenden Officier den Verdacht zu benehmen, und die Durchsuchung in kürzester Frist zu Ende zu führen.
Nach anderen Reglements kann der Officier seine Bootsmannschaft zur Durchsuchung heranziehen, was sich unter Umständen auch als nothwendig erweisen mag.
Wenn die Durchsuchung ergibt, dass Schiff und Ladung feindlich, oder das Schiff feindlich, die Ladung neutral ist oder dass der Thatbestand irgend einer Neutralitätsverletzung vorliegt, oder auch nur, dass begründeter Verdacht hiezu vorhanden ist, nimmt der Befehlshaber des Kreuzers Besitz vom Schiff, indem er die Führung desselben einem Angehörigen seines Schiffsstabes übergibt und eine Abtheilung seiner Mannschaft an dessen Bord sendet, sowie sich der Schiffspapiere versichert. Die Ladung hat er unter Zuziehung des Schiffers oder des Steuermannes unter Siegel und Verschluss legen zu lassen, und für die Erhaltung von Schiff und Ladung möglichst vorzusorgen.
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