Auszug aus dem Skriptum C-Kompakt - © 1994 - 2003 by B.Kotnig, Graz
Astronomische Standlinien |
C - Kompakt
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3 Astronomische Standlinien
3.1 Die Höhengleiche
Die Auflösung des nautisch-astronomischen Grunddreiecks ergibt zwei Werte, nämlich das exakte Azimut des Gestirns - es ist dies die rechtweisende Peilung zum Bildpunkt des Gestirns - und die (eigentlich ohnehin aus der Messung schon bekannte) Höhe. Allerdings kann der Azimutstrahl aufgrund der Azimut-Invarianz nicht als Standlinie verwendet werden: Über eine Strecke von etwa 30 sm bleibt das Azimut gleich, was für eine Standortbestimmung unbrauchbar ist.
Um dennoch eine Standlinie zu gewinnen, überlegt man folgendes: Ein Beobachter, der näher am Bildpunkt ist, mißt den Stern mit einer größeren Höhe, einer der weiter weg ist, entsprechend mit einer kleineren. Das bedeutet aber, daß alle Beobachter, die sich in derselben Entfernung vom Bildpunkt befinden - sie stehen auf einem Kreis um den Bildpunkt - den Stern unter derselben Höhe sehen. Umgekehrt findet man also eine Standlinie, wenn man die Höhe in Distanz umrechnet und damit einen Kreis um den Bildpunkt zieht. Dieser (enorm große) Kreis heißt Höhengleiche.
Der Radius der Höhengleiche läßt sich sehr einfach aus der Höhe des Gestirns ableiten, wenn man überlegt, daß es sich um einen Winkel handelt: Erdmittelpunkt - Standort - Bildpunkt. Der Bogen Standort - Bildpunkt ist demnach ein Teil eines Großkreises der Erdoberfläche. Diesem Dreieck entspricht in der Himmelskugel aber genau: Erdmittelpunkt - Zenit - Gestirn; der Bogen Zenit - Gestirn ist aber gerade die Zenitdistanz z, die ja als z = 90° - ho bekannt ist! Damit ergibt sich also für ein Gestirn, das unter beispielsweise 40° Höhe gemessen wurde, eine Distanz zum Bildpunkt von 90° - 40° = 50°, in Seemeilen auf dem Großkreis also 3.000 sm! Ein solcher Kreis läßt sich natürlich nicht so einfach zeichnen. In einer normalen Seekarte erscheint der Kreis als Gerade, als Tangente an den Kreis am Standpunkt des Beobachters.
Diese Tangente steht aber normal auf den Radiusstrahl zum Zentrum, der aber als Azimut des Bildpunktes bekannt ist. Mit dieser Überlegung ist zunächst die Richtung der Tangente (die ja ein Ausschnitt aus der Höhengleiche und damit Standlinie ist) bekannt.
3.2 Der Höhenvergleich
Zur Bestimmung der Entfernung vom Bildpunkt wird ein Trick verwendet, der als Höhenvergleich bekannt ist:
Für einen Standpunkt in der Nähe der gesuchten Position wird die Höhe berechnet, unter der das Gestirn gesehen würde. Ist die gemessene Höhe nun größer, so befindet sich die gesuchte Position näher am Bildpunkt, ist sie kleiner, so ist sie weiter weg. Wie bereits überlegt, entspricht eine Höhenänderung von einer Minute genau einer Bogenminute auf dem Großkreis zwischen Bildpunkt und Standort, also einer Seemeile! Dieser Entfernungsunterschied zum Bildpunkt zwischen angenommener und wirklicher Position wird englisch als Intercept bezeichnet; es kann positiv oder negativ sein.
3.3 Gewinnung einer Standlinie
Die Berechnung einer Standlinie besteht aus folgenden Schritten:
Feststellung der Gestirnshöhe für eine bestimmte Sekunde. Dies erfolgt durch Messung der Sextantenhöhe hs, die um diverse Korrekturen berichtigt wird und dann die beobachtete Höhe ho ergibt.
Berechnung der exakten Gestirnskoordinaten für dieselbe Sekunde. Sie werden aus den Ephemeriden (Jahrbuch, Nautical Almanac) für die sekundengenaue Zeit durch Interpolation entnommen.
Errechnung von Azimut und Höhe über das Grunddreieck für eine angenommene Position (Rechenort, assumed position) nahe (näher als etwa 30 sm!) der gesuchten Position (Ort in der Nähe des Koppelortes). Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Gängig ist die direkte Berechnung des sphärischen Dreiecks mit einem Rechner oder die Lösung mit Tabellenwerken. Ein Standardwerk ist die Publikation HO 249 (bzw. AP 3270), Sight Reduction Tables for Air Navigation, die die tabellarischen Lösungen für alle Deklinationen bis 30° ermöglicht.
Einzeichnen des Azimutstrahls durch die angenommene Position.
Errechnen des Unterschiedes (Intercept) zwischen dem für die wahre Position gemessenen Höhenwinkel ho und dem für den angenommenen Ort errechneten hc.
Verschieben der Tangente - der Standlinie - entlang des Azimutstrahls vom angenommenen Ort zum Bildpunkt (falls beobachtete Höhe größer) oder vom Bildpunkt weg (falls beobachtete Höhe kleiner) um das Intercept, die Winkeldifferenz in Seemeilen.
Aus einer Gestirnsbeobachtung läßt sich also eine Standlinie gewinnen.
3.4 Berechnung des Grunddreiecks
Berechnung der Höhe
sin h = cos dec x cos lat x cos LHA ± sin dec x sin lat
+ bei
Gleichnamigkeit von dec und lat
- bei Ungleichnamigkeit von dec und lat
Berechnung des Azimuts
Zeitazimut:
tan Z = - sin LHA / (tan dec x cos lat - sin lat x cos LHA)
Z < 180° für
LHA > 180°
Z > 180° für LHA < 180°
Höhenazimut:
cos Z = (sin dec - sin h x sin lat) / cos h x cos lat
Z Azimut,
halbkreisig
Z = Zn für LHA > 180°
Z = 360° - Zn für LHA < 180°
Höhen-Zeit-Azimut:
sin Z = sin LHA x cos dec / cos h
Z Azimut, viertelkreisig, kein Kriterium